Beziehungskapital anhäufen

Reportage

Mit der Banking Time sollen Verhaltensprobleme vermindert werden. In einer Masterarbeit wurde untersucht, wie wirksam die Methode ist.

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Lars Mohr Titel Dr. phil.

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Senior Lecturer

Alex Neuhauser Titel Dr. phil.

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Senior Researcher

Agan ist verhaltensauffällig. Der 6-jährige Knabe, der seit einem Jahr den Kindergarten besucht, stört permanent den Unterricht, zeigt deutliche Unlust und verweigert sich häufig. Für die Lehrperson ist es schwierig, die Aggression und fehlende Motivation auszuhalten. Die Beziehung zwischen ihr und Agan ist geschwächt.

Ein Ansatz, die Lehrer-Schüler-Beziehung zu stärken, ist die sogenannte Banking Time. «Der Name kommt daher, dass gemeinsam Zeit verbracht werden soll, um positives Beziehungskapital anzuhäufen», erklärt Autorin Stefanie Schwan. Doch wie wirksam ist die Methode? Dies wurde bisher noch wenig untersucht. Mit ihrer Masterthesis reduzierte die Schulische Heilpädagogin diese Forschungslücke und nahm dafür neben einem anderen Kind auch Agan in den Fokus.

Dazu machte sie zunächst die Lehrperson mit den wichtigsten Elementen der Methode vertraut. Diese reservierte drei Mal pro Woche 5–15 Minuten für Agan, der bestimmen durfte, was er in dieser Zeit jeweils tun wollte: mit Dominosteinen spielen, auf einem Trampolin hüpfen oder auch in die Bücherecke sitzen. Die Lehrperson wiederum sollte das Kind beobachten, die Tätigkeiten kommentieren oder Gefühle benennen, die sie bei ihm vermutet. «Das ist nicht so einfach, wie es klingt», sagt Stefanie Schwan. «Nicht zu leiten, das fällt vielen Lehrpersonen schwer, weil es in einer kurzen Zeit einen starken Rollenwechsel erfordert.»

Die Methode Banking Time wird visualisiert und in Vorgehen, Techniken und Ziel eingeteilt. Die Dauer des Vorgehens ist einen Monat, dreimal pro Woche und 5-15 Minuten. Die Techniken sind Beobachten (nicht leiten), Kommentieren (nicht bewerten) und Gefühle benennen (nicht verschweigen). Das Ziel ist Beziehnungskapital anhäufen.

Nach vier Wochen und 14 solcher Sitzungen das Ergebnis: Es funktioniert. Die Werte von Agan für oppositionelles und aggressives Verhalten sanken in dieser Zeit markant. Und zwar auch noch in der Erweiterungsphase, in der keine Intervention mehr stattfand: Werden die Werte vor der Intervention mit dieser nachgelagerten Phase verglichen, ergibt sich eine Effektstärke von 0.85. «Für nur vier Wochen ist das ein hervorragendes Ergebnis», sagt Stefanie Schwan.

Allerdings darf man sich keine kontinuierliche Verbesserung vorstellen. Auch während der Interventionsphase gab in der Aggressionsskala einzelne Ausschläge nach oben hin. «Die Tagesform und andere Ereignisse können das Verhalten nach wie vor beeinflussen», sagt Stefanie Schwan dazu, präzisiert aber: «Das fällt weniger stark ins Gewicht, weil die Beziehung immer tragfähiger wird.»

Banking Time: Animation

Ein halbes Jahr nach der 4-wöchigen Intervention war das Verhalten von Agan laut Einschätzung der Lehrperson immer noch verbessert. Kurz vor dem Schuleintritt scheint er auf einem guten Weg zu sein. Ob er langfristig vom angesparten Beziehungskapital profitieren kann, werden allerdings erst die nächsten Jahre zeigen.