Mehrsprachigkeit
Kategorie Institutsthema
Mehrsprachigkeit ist ein omnipräsentes Thema im Alltag für Kinder und Jugendliche in der Schweiz. Viele sprechen zu Hause eine andere Sprache als Deutsch oder kommen mit mehreren Sprachen in Kontakt.
Der Grossteil der Bevölkerung ab 15 Jahren in der Schweiz verwendet im Alltag mehrere Sprachen. Fast die Hälfte der Kinder kommt zu Hause mit mehreren Sprachen in Kontakt. Die Mehrsprachigkeit stellt damit die überwiegende Realität dar und ist keine Randerscheinung. Die verschiedenen Ausprägungen von Mehrsprachigkeit sind sehr heterogen und individuell. Dies stellt die sprachbildenden Institutionen wie Frühförderstellen, Kindergärten, Schulen und Therapiestätten vor diverse Herausforderungen.
Aktuell: Onlinetagung
An der halbtägigen Onlinetagung Adaptive Sprachförderung bei Mehrsprachigkeit erhalten Sie in verschiedenen Referaten und Workshops viele hilfreiche Inputs für Ihre Praxis. U. a. können Sie sich für Workshops zu folgenden Themen anmelden:
- Adaptive Sprachdiagnostik bei Mehrsprachigkeit
- Einsatz von Spracherkennungstechnologie als Beispiel für adaptiven Schreibunterricht
- Mehrsprachige Kinder sprachförderlich zur Kommunikation bewegen
- und viele mehr!
Sprachmischungen. In der Sprachbildung, Sprachförderung und Sprachtherapie von Kindern mit Migrationserfahrung ist es wichtig, die jeweiligen Unterschiede zwischen der Erst- und der Zweitsprache (in diesem Fall der deutschen Sprache) zu kennen. «Fehler» sollen nicht sofort als Merkmale einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung bewertet werden. Bei der Abklärung und Diagnoseentwicklung von mehrsprachigen Kindern spielt die Kenntnis der Erstsprache des Kindes eine entscheidende Rolle in der Erkennung von Sprachmischungen, sogenannten Interlanguage-Effekten.
Interferenzen - Eine Website mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen dem Hochdeutschen und den meist gesprochenen Sprachen in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Fachpersonen aus den Bereichen Logopädie und Schulische Heilpädagogik sowie DaZ-Lehrkräfte und Sprachförderpersonen erhalten in einem Sprachvergleich im morpho-syntaktischen Bereich in über zehn Sprachen zur sprachlichen Einschätzung von mehrsprachigen Kindern. In kompakter Weise werden die markantesten Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen gesprochenen Erstsprachen sowie Varietäten im deutschsprachigen Raum und dem Hochdeutschen in den Kategorien Nomen, Verb und Satzbau dargestellt. Zum Sprachvergleich im morpho-syntaktischen Bereich in über zehn Sprachen auf der Lernplattform ILIAS
Sprachbildung
Einen neuen Zugangsweg gehen wir mit den Audioinformationen Mehrsprachigkeit. Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik sowie die Rückmeldungen aus der Praxis sprechen eine deutliche Sprache: Bei vielen Familien mit Migrationshintergrund sind Bildungsferne und damit verbunden geringe Lesekompetenzen auch in der Erstsprache festzustellen. In der beratenden Arbeit von Logopäd:innen sind somit schriftliche dargebrachte Informationen für Migrationsfamilien in Erstsprachen nur einem gewissen Anteil des Zielpublikums zugänglich.
Kindlicher Spracherwerb in zweisprachigen Familien
Die folgenden Informationen greifen häufig gestellte Elternfragen auf und versuchen Ihnen Hinweise zu geben, wie Sie ihr Kind dabei unterstützen können, mehr als eine Sprache zu lernen. Kinder lernen mit einer zweiten Sprache auch eine zweite Kultur kennen. Unterstützen Sie deshalb als zweisprachige Familie unbedingt beide Sprachen, damit nicht ein wichtiger Teil der Herkunft Ihrer Familie verloren geht.
Welche Vorteile hat mehrsprachige Erziehung?
- Eine Sprache zu lernen braucht Zeit. Ob es für Ihr Kind leicht oder schwer ist, mehrere Sprachen zu lernen, hängt von vielen Faktoren ab.
- Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung spricht mehrere Sprachen. Auch bei uns leben immer mehr Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Das kann für die Kinder, die hier aufwachsen, eine grosse Chance bedeuten. Das Beherrschen mehrerer Sprachen kann für die allgemeine und besonders auch für die berufliche Entwicklung ein Vorteil sein.
- Die meisten Kinder, die zweisprachig aufwachsen, haben mit dem Spracherwerb beider Sprachen keine Schwierigkeiten. Manchmal können Kinder nicht so leicht zwei Sprachen lernen.
Welche Sprachen soll Ihr Kind sprechen?
- Wichtig ist, dass es in Ihrer Familie klare Regeln für den Umgang mit den verschiedenen Sprachen gibt. Diese Regeln müssen für das Kind deutlich erkennbar sein.
- Ihr Kind hat die Möglichkeit, verschiedene Sprachen gleichzeitig oder nacheinander zu lernen. Für den Spracherwerb ist es wichtig, dass Sie, die Eltern, in ihrer jeweiligen Muttersprache (Erstsprache) mit dem Kind sprechen, weil Sie diese Sprache wirklich gut beherrschen und sich selbst in dieser Sprache sicher fühlen. Mit dieser Sicherheit fördern Sie nicht nur die Sprache sondern die gesamte Entwicklung ihres Kindes.
- Sie müssen sich unbedingt entscheiden, welche Sprache Sie von Anfang an sprechen, weil klare Sprachtrennungsregeln Ihrem Kind den Spracherwerb erleichtern. Sie sollten diese Entscheidungen konsequent einhalten.
- Grundsätzlich gilt: Ihr Kind darf entscheiden, in welcher Sprache es spricht. Es wird sich oft für die Sprache entscheiden, die es besser beherrscht.
Wie lernt Ihr Kind diese Sprachen?
- Nehmen Sie sich Zeit für Ihr Kind. Gemeinsame Aktivitäten bieten dem Kind Gelegenheit, Sprachen lustvoll zu erlernen.
- Sprechen Sie mit Ihrem Kind in Ihrer Muttersprache. Verwirren Sie Ihr Kind nicht, indem Sie in einem Gespräch zwischen verschiedenen Sprachen wechseln.
- Zu Beginn kommt es möglicherweise bei Ihrem Kind öfter zu Sprachmischungen. Bleiben Sie trotzdem bei Ihrer Sprache. Es ist gut, wenn Ihr Kind jeweils eine Sprache mit einer Person verbindet.
- Versuchen Sie selbst möglichst eine positive Einstellung zu allen beteiligten Sprachen zu erreichen, dann fällt es Ihrem Kind leichter, diese Sprachen zu lernen.
- Sprechen Sie mit den anderen Bezugspersonen Ihres Kindes über ihr Vorhaben der mehrsprachigen Erziehung, damit Sie sich einig sind. Ermöglichen Sie Ihrem Kind Kontakte zu Personen, die die weniger geübte Sprache sprechen, um auch diese lebendig zu halten.
Wie unterstützen Sie Ihr Kind allgemein beim Spracherwerb?
Wir alle, also auch Ihr Kind, lernen am Besten, wenn uns Lernen Spass macht und nicht als anstrengend empfunden wird. Deshalb hilft es Ihrem Kind am meisten, wenn Sie mit ihm im Alltag in ganz normalen Situationen, in ganz normalen Sätzen reden und spielen (fernsehen allein hilft nicht). Üben Sie nicht mit Ihrem Kind. Ihr Kind, und das was es sagt, ist wichtig; nicht so sehr, wie es etwas sagt. Nehmen Sie Ihr Kind ernst, indem Sie
- ihm zuhören
- Ihr Kind aussprechen lassen
- Ihr Kind nicht verbessern, während es redet
- mit ihm spielen statt zu üben
- es nicht nachsprechen lassen
- in vollständigen, aber nicht zu komplizierten Sätzen wiederholen, was es gesagt hat. Sie zeigen ihm damit, dass Sie es verstanden haben und es ernst nehmen und bieten ihm so ein korrektes Sprachvorbild.
Wann sollten Sie sich beraten lassen?
- Wenn Sie sich Sorgen über die Sprachentwicklung Ihres Kindes machen.
- Wenn Sie unsicher im Umgang mit den Sprachen sind.
- Wenn Ihr Kind sich weigert, mit bekannten Personen zu sprechen.
- Wenn es im Kindergarten oder in der Schule Probleme mit der Sprache gibt.
- Wenn Sie nicht wissen, für welche Sprache Sie sich entscheiden sollen.
An wen können Sie sich wenden?
- Logopädinnen und Logopäden in Ihrer Gemeinde
- Kinderärztinnen und Kinderärzte
- Lehrpersonen Ihres Kindes
Autor:innen: L. von der Hude, A. Jacobsen, A. Schneider, A. Schmidt, J. Schwalbach und R. Wehke (Mitarbeitende der Beratungsstelle des Bezirksamtes Reinickendorf, Berlin)
Audioinformationen Mehrsprachigkeit
Die HfH (Projektgruppe Audiofiles Mehrsprachigkeit: Carole Wiederkehr, Eliane Huwiler und Wolfgang G. Braun) entwickelte Audioinformationen über zweisprachige Kindererziehung in neun Sprachen und vertonte diese in einem professionellen Tonstudio. Tolle Arbeit leistete auch Thomas Frei, SAE Institute Zürich, im Bereich Tontechnik. Wir danken allen Kooperationspartnern für ihre Unterstützung.
Diese Aufnahmen können in der Beratung den betroffenen Familien vorgespielt werden. Die Audiofiles sind in der Publikation «Prävention und Gesundheitsförderung in der Sprachentwicklung» (Braun & Steiner, 2012) veröffentlicht. Ein Beispiel auf Albanisch (Audiofile abspielen)
Sprachförderung
Ein wichtiger Punkt stellt die Sprachförderung dar. Sie geschieht, im Gegensatz zur Logopädie-Therapie, alltagsintegriert und findet in der Regel in den Kindergruppen und/oder Schulklassen statt. An der HfH wurde ein Konzept entwickelt und erprobt, welches vor allem mehrsprachige Kindergartenkinder darin unterstützt ihre kommunikativen Kompetenzen zu erweitern. Erfahren Sie mehr zu SPRINT
Sprachtherapie
Die Logopäd:innen arbeiteten mit Kindern, die mit der gesprochenen und geschriebenen Sprache oder mit dem Erlernen von Lesen und Schreiben Mühe haben. Diese Kinder brauchen mehr Unterstützung und Zeit für ihre Entwicklung als gleichaltrige Kinder. In der logopädischen Therapie wird die Sprache umfassend und gezielt gefördert. Logopädie ist also kein blosser Nachhilfeunterricht und auch kein Deutschunterricht. Zum Beispiel sind es Kinder, die
- Wörter falsch aussprechen
- für ihr Alter zu wenig Wörter sprechen/kennen
- keine ganzen und korrekten Sätze sprechen
- ihre Muttersprache sowie auch Deutsch schlecht verstehen
- mit dem Aussprechen von einzelnen Lauten (s, z, x, sch) Mühe haben
- stottern
- beim Schreiben Buchstaben vertauschen
- beim Lesen die Buchstaben verwechseln.
In einem ersten Kontakt findet eine Abklärung statt. Das heisst, die Logopädin versucht herauszufinden, welches die Schwierigkeiten sind. Dann wird gemeinsam besprochen, ob Logopädie notwendig ist oder noch gewartet werden kann. In den meisten Gemeinden besteht jedoch eine Warteliste, das heisst, die Kinder müssen einige Zeit auf einen Therapieplatz warten. Die Therapie findet normalerweise einmal in der Woche während des Unterrichtes oder in Randstunden statt und ist für Eltern kostenlos. Wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Kind hat Probleme mit der Sprache, wenden Sie sich direkt an eine Logopädin oder einen Logopäden, an Ihren Kinderarzt, Ihre Kinderärztin oder an die Lehrperson Ihres Kindes.